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Vorlesung: Rechtsrezeption in den Ländern Ostasiens

Termin: Do. 10-12 Uhr c.t.
Ort: KG II, HS 2121
Beginn: Do., 24.10.2013


Zielgruppe: Diese Vorlesung richtet sich an Studierende der Rechtswissenschaft ab dem 3. Semester (SPB 4) und Sinologen sowie andere Studierende, die sich auf einen Studienaufenthalt in Ostasien vorbereiten.


Die drei ostasiatischen Länder China, Japan und Korea haben ihre Rechtsordnungen alle durch die umfangreiche Rezeption westlichen Rechts modernisiert. Dabei hat das deutsche Recht eine wesentliche Rolle gespielt. Im Bereich des materiellen bürgerlichen Rechts, des Zivilprozessrechts, des Verwaltungsrechts und des Strafrechts ist der Einfluss deutschen Rechts besonders evident. Neben dem deutschen Recht haben Konzepte des französischen und des US-amerikanischen Rechts in unterschiedlichem Ausmaß Eingang in das nationale Recht dieser drei Länder gefunden. Die unterschiedliche Herkunft der rezipierten Elemente ist dabei zu einem gemeinsamen Kennzeichen der Rechtssysteme dieser drei Länder geworden. Unterdessen findet eine Rezeption auch innerhalb des ostasiatischen Rechtskreises statt: so beeinflusst etwa das japanische Recht die Rechtsordnungen in China und Korea bis heute. Und da Japan selbst westliches Recht rezipiert hat, gelangt auch auf diesem Weg insbesondere deutsches Recht nach Fernost. Die Vorlesung, die verschiedene Gesichtspunkte dieses Rezeptionsprozesses beleuchten soll, gliedert sich in vier Themenbereiche: (1) Rezeptionsmuster, (2) Juristenausbildung, (3) Gerichtswesen, (4) Streitkultur und Zivilverfahren.
 

Im ersten Themenbereich werden die Besonderheiten der Rechtsrezeption in China, Japan und Korea vorgestellt. Zugleich soll untersucht werden, warum gerade das deutsche Recht die Rechtsentwicklung in Ostasien beeinflusst hat. In Bezug auf Japan ist vor allem dem seltenen Phänomen der Wissenschaftsrezeption nachzugehen und aufzuzeigen, wie Japan durch die Auslegung des dem französischen Code Civil nachgebauten japanischen BGB mit Hilfe der übernommenen deutschen Dogmatik eine eigene Zivilrechtslehre aufgebaut hat. In Bezug auf Korea sind die drei Phasen der Rezeption zu diskutieren, die gewöhnlich als „Zeit der selbständigen Übernahme“, die Zeit der „von außen aufgezwungenen indirekten Rezeption“ sowie als die Phase der „direkten Überführung“ charakterisiert werden. Die Übernahme ausländischen Rechts in China ist dadurch gekennzeichnet, dass diese im Zeitalter der Globalisierung und vor dem Hintergrund der weltweiten Rechtsvereinheitlichung und Rechtsangleichung geschieht. Ist dies eher eine Chance oder eine Gefahr für das Land? Die Fragen dieses Themenbereichs sollen durch eine Auseinandersetzung mit der konkreten Frage der Übertragung dinglicher Rechte in den genannten Ländern veranschaulicht werden. Im Mittelpunkt des zweiten Themenbereichs steht die Rolle des juristischen Staatsexamens in den Ländern Ostasiens. Zugleich soll untersucht werden, warum Japan und Korea nacheinander Law Schools nach amerikanischem Vorbild eingeführt haben, welche Ausbildungswege existieren, was die juristische Ausbildung in Ostasien hinsichtlich ihrer Zielsetzung, ihrer Methoden und des Curriculums von dem deutschen Modell unterscheidet und was diese Unterschiede für die Rezeption des Rechts bedeuten. Im dritten Themenbereich werden der Aufbau der Gerichte, der Instanzenzug, die Ernennung und Unabhängigkeit der Richter sowie die Möglichkeiten der richterlichen Rechtsfortbildung diskutiert. Ansatzweise wird die Auseinandersetzung mit dem ausländischen Recht in der Rechtsprechung und die Rolle des ausländischen Rechts bei der Urteilsfindung in diesen drei Ländern zu untersuchen sein. Im vierten Themenbereich ist die gesellschaftsprägende Rolle der Rechtsrezeption am Beispiel der sich allmählich wandelnden Streitkultur in den Gesellschaften Chinas, Japans und Koreas zu untersuchen. Folgende Fragen werden erörtert: Vermag die Rezeption der Rechtsnormen aus dem Westen auch einen Mentalitätswandel herbeizuführen? Kann das rezipierte Verfahrensrecht in der Praxis funktionieren? Welche Anpassungen an die lokalen Umstände waren bzw. sind notwendig? Werden sich amerikanische Verfahrensfiguren wie Sammelklagen oder Discovery-Untersuchungssysteme in Ostasien durchsetzen können?